Nach einem langwierigen Gesetzgebungsverfahren einschließlich eines Vermittlungsverfahrens haben nun Bundestag und Bundesrat dem „Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtssprechung des BVerfG (ErbStRG)” zugestimmt. Damit wurde die Behandlung von Betriebsvermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer mit Wirkung zum 1. Juli 2016 neu geregelt. Die wesentlichen Grundsätze des neuen Rechts haben wir für Sie zusammengestellt:
Erbschaftsteuer: Vereinfachtes Ertragswertverfahren.
Erbschaftsteuer: Vorab-Abschlag für Familienunternehmen.
Erbschaftsteuer: Verschonungsregelung für begünstigtes Unternehmensvermögen.
Erbschaftsteuer: Ermittlung des begünstigten Unternehmensvermögens.
Erbschaftsteuer: Stundung auf begünstigtes Vermögen – ohne Voraussetzungen und ohne Zinsen
Erbschaftsteuer: Lohnsummenregelung muss auch von kleinen Unternehmen beachtet werden
Erbschaftsteuer: Vereinfachtes Ertragswertverfahren
Unternehmen, die ihren Wert nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren ermitteln, wenden einen einheitlichen Kapitalisierungsfaktor von 13,75 an. Dadurch sinken die Unternehmenswerte.
Im ursprünglich vom Bundestag gebilligten Entwurf war noch geplant, die bisherige Berechnung aus Risikoprämie und risikolosen Zins beizubehalten, wobei der Basiszins nur noch zwischen 3,5 % und 5,5 % liegen sollte. Dies hätte zu Kapitalisierungsfaktoren in einer Bandbreite zwischen 10 und 12,5 geführt.
Das ändert sich ab 1.1.2016 Dieser einheitlich angewendete Kapitalisierungsfaktor sinkt im Jahr 2016 von bisher 17,8571 auf 13,75. Bei einem Unternehmen mit einem Gewinn vor Steuern von 1 Mio. EUR reduziert sich dadurch der Unternehmenswert von ca. 12,5 Mio. EUR auf nur noch 9,625 Mio. EUR, was insgesamt einer Unternehmenswertminderung von 2,875 Mio. EUR entspricht.
Der neue Kapitalisierungsfaktor gilt für alle Bewertungen im Jahr 2016, also auch für Übertragungen, die zwischen dem 1.1.2016 und dem 30.6.2016 erfolgt sind.
Erbschaftsteuer: Vorab-Abschlag für Familienunternehmen
Der neue Vorab-Abschlag, der in letzter Minute ins Gesetz aufgenommen wurde, wird bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen gewährt, und zwar vor der Anwendung der anderen Begünstigungen.
Allerdings wird dieser Abschlag nur auf den begünstigten Teil des Unternehmensvermögens angewendet, nicht auf den gesamten Unternehmenswert.
Das ändert sich ab 1.7.2016
Die Höhe des Abschlags beträgt maximal 30 %.
Als Voraussetzung für die Gewährung des Vorab-Abschlags müssen im Gesellschaftsvertrag enthalten sein:
- Entnahme- bzw. Ausschüttungsbeschränkungen,
- Verfügungsbeschränkungen über die Anteile am Familienunternehmen sowie
- die die Höhe des Vorab-Abschlags beeinflussenden Abfindungsbeschränkungen.
Diese Voraussetzungen müssen 2 Jahre vor und 20 Jahre nach der Übertragung vorliegen.
Entnahmen dürfen auf höchstens 37,5 % des um die auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttungen aus der Gesellschaft entfallenden Steuern vom Einkommen gekürzten Betrags des steuerrechtlichen Gewinns beschränkt sein. Entnahmen zur Begleichung der auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttungen aus der Gesellschaft entfallenden Steuern vom Einkommen bleiben von der Beschränkung der Entnahme oder Ausschüttung unberücksichtigt.
Die Steuerbefreiung entfällt mit Wirkung für die Vergangenheit, wenn diese Voraussetzungen innerhalb des 20-jährigen Behaltenszeitraums nicht eingehalten werden.
Erbschaftsteuer: Verschonungsregelung für begünstigtes Unternehmensvermögen
Begünstigtes Unternehmensvermögen wird unter bestimmten Voraussetzungen von der Erbschaftsteuer verschont. Hier wurde noch eine weitere Voraussetzung eingeführt.
Das derzeitige Grundkonzept der Verschonungsregelung für begünstigtes Unternehmensvermögen bleibt grundsätzlich erhalten. Danach werden ein Verschonungsabschlag von 85 % (Regelverschonung) bzw. von 100 % (Optionsverschonung) und ein Abzugsbetrag von max. 150.000 EUR gewährt.
Das ändert sich ab 1.7.2016 Um in den Genuss der Optionsverschonung zu kommen, wurde eine weitere Voraussetzung eingeführt: Das Verwaltungsvermögen darf nicht mehr als 20 % des Unternehmenswerts ausmachen.
Der Anteil des Verwaltungsvermögens am gemeinen Wert des Betriebs bestimmt sich dabei nach dem Verhältnis der Summe der gemeinen Werte der Einzelwirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens zum gemeinen Wert des Betriebs. Eine Schuldenkürzung beim Verwaltungsvermögen ist nicht vorzunehmen. Es ist also das Bruttoverwaltungsvermögen dem gemeinen Wert gegenüberzustellen.
Damit steigt die Grenze des Verwaltungsvermögens, ab der die Optionsverschonung anzuwenden ist, von derzeit 10 % auf zukünftig 20 %.
Erbschaftsteuer: Ermittlung des begünstigten Unternehmensvermögens
Die Ermittlung des begünstigten Vermögens wird in Zukunft erheblich an Bedeutung gewinnen. Der Grund: Der Anteilswert, der dem nicht begünstigten Vermögen zuzurechnen ist, unterliegt in vollem Umfang der Besteuerung.
Bisher wird bei der Ermittlung des nicht begünstigten Vermögens auf einen fest im Gesetz definierten Katalog an Verwaltungsvermögen abgestellt, der im Anschluss mit dem Unternehmenswert ins Verhältnis gesetzt wird. Wird die so ermittelte Verwaltungsvermögensquote gewahrt, ist das gesamte Unternehmensvermögen nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip begünstigt.
Das ändert sich ab 1.7.2016 Der Verwaltungsvermögenskatalog wird zwar auch zukünftig angewendet. Er wurde jedoch in einzelnen Teilen modifiziert und an die Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts angepasst.
Das begünstigungsfähige Vermögen ermittelt sich in Zukunft durch zahlreiche zum Teil komplexe Berechnungsschritte:
- Zunächst ist das Verwaltungsvermögen zu ermitteln und zu bewerten.
- Anschließend wird das Verwaltungsvermögen in Höhe der Altersvorsorgeverpflichtungen ausgesondert.
- Das danach noch verbleibende Verwaltungsvermögen wird um die noch berücksichtigungsfähigen Schulden gekürzt. Dies ergibt den Nettowert des Verwaltungsvermögens.
- Dieser Nettowert des Verwaltungsvermögens kann sich um 10 % des begünstigten Unternehmensvermögens mindern, was das sog. unschädliche Verwaltungsvermögen ergibt.
- Vom Unternehmenswert wird zuletzt das soeben ermittelte unschädliche Verwaltungsvermögen abgezogen. Dadurch erhält man das endgültige begünstigte Unternehmensvermögen.
Sog. junges Verwaltungsvermögen und junge Finanzmittel können allerdings niemals begünstigt übertragen werden.
Bevor das begünstigte Vermögen ermittelt wird, muss künftig geprüft werden, ob das Unternehmensvermögen zu mehr als 90 % aus Verwaltungsvermögen besteht. Denn: Beträgt das Verwaltungsvermögen mehr als 90 % des Unternehmenswerts, kommen gar keine Begünstigungen in Betracht.
Diese neue Alles-oder-Nichts-Barriere führt nicht mehr wie bisher zur gesamten Begünstigung des Unternehmensvermögens. Stattdessen muss nach Bestehen der 90 %-Grenze das begünstigte Vermögen unter Aussonderung des Verwaltungsvermögens ermittelt werden. Nur umgekehrt greift in Zukunft das Alles-oder-Nichts-Prinzip: Macht das Verwaltungsvermögen mehr als 90 % des Unternehmensvermögens aus, werden überhaupt keine Begünstigungen gewährt.
Wichtige Änderungen am Verwaltungsvermögenskatalog in Kürze:
- Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, die vorrangig überlassen werden, um im Rahmen von Lieferungsverträgen dem Absatz von eigenen Erzeugnissen und Produkten zu dienen, stellen kein Verwaltungsvermögen dar (z. B. Brauereigaststätten und Tankstellen).
- Vermögen, das ausschließlich und dauerhaft der Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen dient, zählt in Höhe der Altersversorgungsverpflichtungen nicht mehr zum Verwaltungsvermögen. Zugleich sind die hier verrechneten Schulden aus der Altersvorsorgeverpflichtung bei den folgenden Schritten zur Ermittlung des schädlichen Verwaltungsvermögens nicht mehr einzubeziehen.
- Beim Finanzmitteltest werden künftig die Finanzmittel neben dem Schuldenabzug nur noch um 15 % des Unternehmenswerts gemindert.
- Der Verwaltungsvermögenskatalog wurde um Briefmarkensammlungen, Oldtimer, Yachten, Segelflugzeuge sowie sonstige, typischer Weise der privaten Lebensführung dienende Gegenstände erweitert.
- Die neue Investitionsklausel gilt nur für Erbfälle. Danach entfällt die Zurechnung von Vermögensgegenständen zum Verwaltungsvermögen, wenn diese innerhalb einer Investitionsfrist von 2 Jahren nach dem Tod des Erblassers gemäß einem vorgefassten Willen des Erblassers für Investitionen im Unternehmen verwendet werden. Die Investitionen müssen einer originären gewerblichen Tätigkeit dienen und dürfen kein Verwaltungsvermögen sein.
- Besitzt das übertragene Unternehmensvermögen Anteile an Tochtergesellschaften, wird grundsätzlich die Ermittlung des begünstigten und nicht begünstigten Vermögens auf Ebene der Gesellschaft durchgeführt, deren Anteile übertragen werden (Obergesellschaft). Auf Ebene der Obergesellschaft ist eine sog. Verbundvermögensaufstellung aufzustellen, in der das Verwaltungsvermögen, die Finanzmittel und die Schulden aller Tochtergesellschaften einfließen (Konsolidierung). Anschließend wird auf Ebene der Obergesellschaft das begünstigte Vermögen entsprechend der vorstehend beschriebenen Schritte ermittelt.
Erbschaftsteuer: Stundung auf begünstigtes Vermögen – ohne Voraussetzungen und ohne Zinsen
Für Erbfälle kann eine Stundung der Erbschaftsteuer bis auf 7 Jahre beantragt werden. Dies gilt allerdings nur für Erbschaftsteuer, die auf das begünstigte Unternehmensvermögen entfällt.
Das ändert sich ab 1.7.2016
Es wird nur der erste Jahresbetrag für ein Jahr zinslos gestundet. Zwar können auch die weiteren Zahlungen für das zweite bis siebte Jahr gestundet werden, allerdings unter Anwendung der allgemeinen Verzinsungsregelungen.
Eine Stundung der Erbschaftsteuer, die auf das nicht begünstigte Unternehmensvermögen entfällt, ist dagegen ausgeschlossen.
Die Stundung ist im Fall der Regelverschonung, der Abschmelzregelung des Verschonungsabschlags oder der Verschonungsbedarfsprüfung anwendbar.
Die Stundung ist jedoch an die Einhaltung der Lohnsummen- und Behaltensregelungen geknüpft. Sobald der Erwerber eine dieser Voraussetzungen nicht mehr einhält, endet die Stundung.
Erbschaftsteuer: Lohnsummenregelung muss auch von kleinen Unternehmen beachtet werden
Auch kleinere Unternehmen müssen in Zukunft die Lohnsummenregelung beachten. Sie gilt jetzt für alle Unternehmen mit mehr als 5 Mitarbeitern.
Das ändert sich ab 1.7.2016
Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl zwischen 6 und 10 bzw. zwischen 11 bis 15 kommen in den Genuss geringerer Mindestlohnsummenanforderungen.
Die Mindestlohnsummen im Überblick:
Regelverschonung | Optionsverschonung | |||
Zahl der Beschäftigten | Lohnsummenfrist
5 Jahre |
Lohnsummenfrist
7 Jahre |
||
Mindestlohnsumme | durchschnittliche Lohnsumme p.a. | Mindestlohnsumme | durchschnittliche
Lohnsumme p.a. |
|
0 bis 5 | Keine Lohnsummenregelung | |||
6 bis 10 | 250 % | 50 % | 500 % | 71,43 % |
11 bis 15 | 300 % | 60 % | 565 % | 80,71 % |
über 15 | 400 % | 80 % | 700 % | 100 % |
Auszubildende, Beschäftigte im Mutterschutz, Eltern in Elternzeit sowie Kranke, die Krankengeld erhalten, werden nicht in die Beschäftigtenzahl einbezogen und ihre Vergütung wird bei der Lohnsumme nicht berücksichtigt.